Wissenswertes
Quelle: Wilde Flaschenkinder von Birte Heckel - Neubert
Dem Feldhasen geht es schlecht
Als Ursache für den massiven Einbruch der Hasenbestände in Europa kommen mehrere Faktoren und deren Wechselwirkungen in Frage: die Intensivierung der Landwirtschaft, die Zersiedelung der Lebensräume, der gestiegene Druck durch Raubfeinde, Klimaveränderungen oder auch falsches Jagdmanagement. Auffällig ist die hohe Sterblichkeitsrate bei den Junghasen in freier Natur. Darauf richtet sich meine Aufmerksamkeit.
Im Jagd- und Artenschutzbericht Schleswig-Holstein von 2017 kann man über den Feldhasen nachlesen: „In Schleswig-Holstein ist die räumliche Verteilung der Hasenbesätze sehr unterschiedlich. Anscheinend sinken regional sowohl die Zahlen fruchtbar er Hasen und damit geborener Junghasen als auch die relative Anzahl der geborenen, die das erste Lebensjahr überleben.“ (Christin Nowok, UV Schleswig-Holstein)
Die Hasenmuttermilch hat einen hohen Fettgehalt von 23,1% (Schneider 1978). Die Höhe des Fettgehalts in der Muttermilch wird nun aber wesentlich von der verfügbaren Futterqualität bestimmt. Feldhasen ernähren sich vorwiegend von Gräsern und Kräutern, wobei säugende Häsinnen vor allem fettreiche Pflanzenteile bevorzugen, wie zum Beispiel Blüten des Löwenzahns oder des Klatschmohns (Hackländer et al. 2004).
Für die Milchproduktion brauchen die Hasenmütter ausreichend Körperfettreserven. Besonders wichtig für die Fortpflanzung und das Überleben der Hasen scheinen mehrfach ungesättigte Fettsäuren (PUFA) zu sein, denn säugende Häsinnen nehmen mehr PUFAs aus der aufgenommenen Nahrung auf als andere Individuen. Das zeigte ein Team des Forschungsinstituts für Wildtierkunde und Ökologie der Veterinärmedizinischen Universität Wien (Vetmeduni Vienna) schon vor einigen Jahren.
Im Frühling, wenn Häsinnen noch über Fettreserven verfügen, die sie im vorangehenden Spätherbst aufgebaut haben, mobilisieren sie diese und decken auf diese Art und Weise die hohen Energiekosten fiir die Milchproduktion. Nach dem ersten Wurf im Februar sind die Fettreserven der Hasenmutter meist aufgebraucht. Nun müssen alle Energiekosten für die Milchproduktion durch die Futteraufnahme gedeckt werden (Dr. Teresa Valencak, Vetmeduni Wien). Der jahreszeitlich schwankende Energiegehalt der Muttermilch lässt vermuten, dass die nächsten Würfe mit einer nicht so reichhaltigen Milch versorgt werden und damit die Junghasensterblichkeit steigt. In den ersten Wochen reagieren Junghasen weitaus empfindlicher auf negative Umwelteinflüsse wie Nässe und Kälte als ausgewachsene Tiere (Hackländer et a1. 2002a) .
Ein sehr interessanter Artikel findet sich im Revierkurier Ausgabe S'r. 3, November 2016 vom Bayrischen Jagdverband über Glyphosat und Wildtiere. Frau Prof. Dr. Monika Krüger und Dr. Philipp Schledorn von der Veterinärmedizinischen Fakultät am Albrecht- Daniel-Thar-Institut der Universität Leipzig legen hierzu ausfiihrliche Untersuchungen vor.
Glyphosat wird von der einfachsten Aminosäure Glycin abgeleitet. Es hat aber nach wie vor Eigenschaften dieser Aminosäure und konkurriert mit ihr um Rezeptoren an der Zelloberfläche des gesamten Körpers und wird statt Glycin in Proteine eingebaut, was deren Funktion erheblich verändert. Vereinfacht ausgedrückt hemmt das Glyphosat einen Vorgang im Stoffwechsel von Grünpflanzen, sie verhungern, da keine aromatischen Aminosäuren mehr produziert werden können. Leider kommen auf den Pflanzen auch Mikroorganismen wie Bakterien, Pilze, Protozoen und Algen vor, die den gleichen Stoffwechselprozess haben. Aromatische Aminosäuren, die Tiere und Menschen nicht selbst bilden können, stehen dann auch ihnen nicht mehr zur Verfügung. Die Bindung von Glyphosat an Metallionen wie Eisen, Calcium, Magnesium, Kupfer, Mangan usw. führen zu einem Mangel an Spurenelementen bei allen Lebewesen. Glyphosat besitzt für bestimme Bakterien den Effekt eines Antibiotikums. Es verhindert das Wachstum. Glyphosathaltige Futter- und Lebensmittel besitzen somit einen schädlichen Einfluss auf die Gesundheit von Tieren und Menschen und beeinflussen die Darmflora der Verbraucher. Besonders Laktobazillen, Enterokokken, Bifidobakterien und einige Bazillen reagieren empfindlich auf Glyphosat. Sie gehören zu den „guten Bakterien“ einer gesunden Darmflora. Salmonellen und einige Clostridienarten sind demgegenüber aber resistent. Dadurch werden Ungleichgewichte (Dysbiosen) der Magen-Darm-Mikrobiota initiiert, die zu der bisher unbekannten Erkrankung chronischer Botulismus führen (Shehata et al. 2012, Krüger et al. 2013).
Der Hase hat ein Darmproblem
Der Wildbiologe Daniel Hoffmann vom Verein Game Conservancy Deuschland (GCD) und seine Kollegen von der Veterinärmedizinischen Universität Wien haben die Darmflora, das Mikrobiom, auf der Insel Pellworm genauer untersucht. Die Insel Pellworm hatte früher eine außergewöhnlich hohe Hasenpopulationsdichte. Im Jahr 2007 kam das grotle Hasensterben. Etwa 1.000 verendete Hasen wurden im Herbst auf der 3.400 Hektar großen Insel gefunden. Das Massensterben fiel mit einer radikalen Umstellung der Landwirtschaft zusammen, man stellte auf Biogasanlagen um. Hoffmann und seine Kollegen untersuchten mehr als 300 Hasen und entdeckten eine drastische Dominanz des Allerweltkeimes Escherichia coli, der alle anderen Keime verdrängte.
Diese Verschiebung könnte als eine Reaktion des Hasenmikrobioms auf die radikale Veränderung der Umwelt interpretiert werden. 2014 brach die Hasenpopulation erneut ein. Sie halbierte sich nahezu von 60 auf 35 Individuen pro 100 Hektar. Diesmal fanden die Forscher auch multiresistente Keime, sogenannte Krankenhauskeime. Während 2012 und 2014 nur bei einigen Tieren Staphylokokkus aureus (MRSA) nachgewiesen werden konnte, war er 2014 schon bei 40% der Hasen nachweisbar (Eckhard Fuhr, die Welt N24 2015 ).
Die Milch der Häsin
In einem Sonderduck aus Heft 1/03 vom Deutschen Kleintier- Züchter kann man einige interessante Infos über die Schlüsselfunktion der Muttermilch nachlesen.
„Die erste auch als Kolostralmilch, Colostrum oder Biestmilch bezeichnete Milch enthält eine hohe Konzentration an Abwehrstoffen, den sog. Immunglobulinen. Diese sind für Jungtiere lebenswichtig, da sie ohne diese schützen den Antikörper geboren werden. Die Fähigkeit, diese Abwehrstoffe aus dem Darm zu resorbieren, fällt bereits Stunden nach der Geburt langsam ab und ist spätestens am dritten Tag nach der Geburt beendet. Durch zu wenig Eiweiß bzw. zu wenig lebensnotwendige Aminosäuren wie Methionin und Lysin kommt es oftmals zu Jungtierverlusten während der Säugezeit und sie sind anfälliger für Infektionen. Bei bakteriellen Krankheitserregern seien hier nur die gerade bei Enterocolitis immer wieder festgestellten Clostridien und auch Colibakterien genannt. Beide Keime finden sich in geringen Mengen im Darm. Durch eine PH-Verschiebung vom alkalischen in den sauren Bereich dominieren diese Keime.“ (Kleine Klausing und Matthes, 2000, Kleine Klausing, 200la)
Danke liebe Birte für Deinen aufopferungsvollen Fleiß,
als erstes für die hilfreichen Darstellungen und Erklärungen in Deinem Büchlein: „Wilde Flaschenkinder“
und als zweites
für Deine, an uns leistende, hingebungsvolle, edelmütige und beispiellose Aufzuchtarbeit.
Hochachtungsvoll, in ewiger Dankbarkeit,
Deine Feldhasen und Wildkaninchen.
Wir sollten uns unserer Verantwortung für die Schöpfung bewusst werden, das Lebendige, das individuelle Leben selbst generell achten, denn es ist schneller verloren, als wir es meistens erwarten.